Munsterkerk in Roermond

Roermond im Laufe der Zeit – von der „Villa Optima“ zur Shopping-Hochburg

Von Benita Fischer und George Timm / Teaserbild: Thomas Biermann

Es war eine Sensation für die Besatzung des Baggerschiffs Westfries, als sie am 17. April 1963 während ihrer Arbeit im Flussbett der Maas auf einen außergewöhnlich großen Stein stieß. Der Stein, der in einem Eimer der Mühle nach oben gefördert wurde, zeigte eine mysteriöse Gravierung: „SEX OPSIL GEMINUS RURAE V S L M“, übersetzt „Sextus Opsilius hat sein Gelübde an Rura gerne und mit gutem Grund eingelöst“.

Es handelte sich um einen Altarstein, der sich an die römisch-germanische Flussgöttin Rura richtete und auf das dritte Jahrhundert nach Christus datiert wurde. Dieser besondere Fund zeigte, dass die Ursprünge der nahe gelegenen Stadt Roermond bereits in die Römerzeit im dritten Jahrhundert nach Christus zurückreichen. Einer Legende nach, soll selbst Julius Caesar den damaligen römischen Ort des heutigen Roermonds schon als „Villa Optima“, also als „bester Wohnplatz“ bezeichnet haben.

Wie die Römer nach Roermond kamen

Julius Caesar

Gaius Iulius Caesar – im deutschsprachigen Raum besser bekannt als Julius Caesar – war einer der größten Feldherren der römischen Geschichte und maßgeblich an der Ausbreitung des römischen Reichs beteiligt. Seine Eroberungen in den Jahren von 58 bis 51 vor Christus über Gallien bis zum Rhein legten den Grundstein für die römische Präsenz in den Gebieten, die später Teil der Provinz Germania wurden. In der Folgezeit spielte der Rhein eine wichtige Rolle als natürliche Grenze des Römischen Reiches gen Osten gegenüber den germanischen Stämmen. 

Die Stadt Köln war aufgrund ihrer Lage auf einem Hochplateau am Rhein eine besonders wichtige Stadt für die Römer. Sie wurde im Jahr 50 n. Chr. aus der Siedlung Ara Ubiorum gegründet und zur Kolonie mit römischen Stadtrechten erhoben.

Kaiser Trajan

Unter Kaiser Trajan, der von 98 n. Chr. bis 117 n. Chr. regierte, erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung: Es umfasste den gesamten Mittelmeerraum und zog sich sogar durch Europa bis nach Schottland hoch. Auch wenn das erste Anzeichen der Stadt Roermond, der Fund des Altarsteins, erst auf das dritte Jahrhundert nach Christus datiert wurde, war das umgebende Gebiet also bereits vorher von den Römern besiedelt.

„Die Römer haben insgesamt in der Spätantike versucht die Reichsgrenzen in den Norden zu verschieben“, bestätigt Dr. Hiram Kümper, Professor für Geschichte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit an der Universität Mannheim. Dabei sei besonders der Nordwesten, in dem sich auch Roermond befindet, für die Römer interessant gewesen. Allerdings gab es laut Kümper zu dieser Zeit keine lange Siedlungskontinuität der Römer. „Man kann die Römer-Spuren in der Stadt aber gut erkennen“, so Kümper. Diese könnten besondere Ankerpunkte für spätere Siedlungen gewesen sein. 

Zerfall des Römischen Reichs

Im fünften Jahrhundert deutete sich schließlich der Zerfall des Römischen Reichs an. Aufgrund interner politischer Unstimmigkeiten und zahlreicher Kriege gegen germanische Stämme, verloren die Römer die Hoheit über die Gebiete westlich des Rheins. Das Jahr 476 n. Chr. wird oft als der endgültige Niedergang des weströmischen Kaisertums betrachtet, da der letzte römische Kaiser, Romulus Augustulus, abgesetzt wurde.

Von der „Villa Optima“ zur Klosterstadt

Nach der Römerzeit begann sich die Stadt Roermond als Handelsstadt zu entwickeln. „Roermond war damals ein wichtiges Handelszentrum, da sie an einem strategisch wichtigen Punkt an der Rur lag“, erklärt die Stadtführerin Marianne Muller-Klaar. Die Rur verleiht Roermond auch seinen Namen – sinngemäß bedeutet der Name „Stadt an der Rur“. Fälschlicherweise wird der Name oft so gedeutet, dass damit die Mündung der Rur in die Maas gemeint ist, das sei aber laut Marianne Muller-Klaar nicht richtig.

Die Stadt war im Mittelalter ein Teil des Herzogtums Geldern, das wiederum ein Territorium des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war. „Auch wenn das alte Herzogtum Geldern heute durch Ländergrenzen getrennt ist, ist es mit dem Niederrhein und dem Herzogtum Kleve in einer großen Kulturlandschaft miteinander verbunden“, sagt Professor Kümper. Das können man auch heute noch in der Stadt beobachten. 

Graf Gerhard IV. von Geldern hat damals das Potenzial der Stadt Roermond erkannt. „Er hat gemeinsam mit seiner Frau, Margarethe von Braband, eine Abtei gegründet, um dem Zisterzienserorden beizutreten“, erklärt Stadtführerin Muller-Klaar. Der Zisterzienserorden ist ein Zusammenschluss aus Nonnen bzw. Mönchen, der durch Reformen aus der Tradition des Ordens der Benediktiner entstand.

Graf Gerhard IV. von Geldern und Margarethe von Braband
Graf Gerhard IV. und Margarethe von Braband begraben in der Munsterkerk in Roermond.

Graf Gerhard stiftete im Jahr 1218 das Kloster von Roermond, das heute als Münsterkirche (Munsterkerk) bekannt ist. Gemeinsam mit seiner Frau Margarethe von Brabant liegt er bis heute in der Kirche begraben. 

„Die Abtei, die in Roermond im 13. Jahrhundert entsteht, gibt der bislang beschaulichen Siedlung Roermond einen richtigen Aufwind, um sich weiterzuentwickeln“, erklärt Kümper. Durch das Kloster entwickele sich Roermond zu einem Zentralort mit einer Zentralitätsfunktion für das Umland. „Die Munsterkerk in Roermond wurde damals auch zu einer Pilgerkirche des heiligen St. Bernardus“, erläutert Marianne Muller-Klaar.

In 1410 begann in Roermond der Bau einer zweiten großen Kirche, der Christoffelkathedraal. Sie wurde allerdings erst im Verlaufe des 16. Jahrhunderts fertiggestellt und wurde anschließend zur Bischofskirche des 1559 eingerichteten Bistums Roermond erhoben.

Historische Karte von Roermond aus dem Jahr 1652.

Danach kommen mehr Leute in die Stadt, weil es große Kirchen und einen regelmäßigen Markt gibt. Dort können Menschen aus dem Umland auch Exportware erstehen, die es in kleineren Dörfern nicht zu kaufen gibt. Diese für die Stadt sehr positive Klosterzeit reichte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Damals war Roermond von den Franzosen besetzt, die das Kloster im Jahr 1797 auflösten.

Napoleon stellt die europäische Ordnung auf den Kopf

Während sich die Stadt Roermond bis Ende des 18. Jahrhunderts zu einer erfolgreichen Klosterstadt entwickelte, war das gesamte Territorium der heutigen Niederlande durch zahlreiche Eroberungskriege und wechselnde Herrschaften geprägt. Wie bereits erwähnt, gehörte Roermond zum Herzogtum Geldern, die lange Zeit zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte. 

Die Niederlande, wie sie heute bestehen, gab es damals noch nicht. Die heute niederländischen Gebiete waren damals aufgeteilt in die sogenannten Spanischen Niederlande, die später österreichischer Herrschaft unterlagen, und die Republik der Vereinigten Niederlande. Das Herzogtum Geldern gehörte, wie viele belgische und luxemburgische Gebiete, zu den Spanischen Niederlanden, während die Republik der Vereinigten Niederlande viele Gebiete des heutigen nördlichen Hollands inklusive Amsterdam und Den Haag umfasste.

Karte der Österreichischen Niederlande 1789 (links) und 1730 (rechts) / Quelle: Wikipedia (cc)

Diese Aufteilung hielt bis in das späte 18. Jahrhundert, bis die Französische Revolution die mitteleuropäische Ordnung auf den Kopf stellte. Im Zuge der ersten Revolutionskriege, die im Jahr 1792 begannen, marschierten die Franzosen in die heutigen Niederlande ein und eroberten auch das Herzogtum Geldern. Die Österreicher, die mittlerweile die Herrschaft im Gebiet um Roermond übernommen hatten, stellten sich in einem Zusammenschluss mehrerer Staaten, der sogenannten ersten Koalition, gegen die Franzosen. Auch die restlichen Niederlande waren Gegner der Franzosen, da sie deren größten Konkurrenten Großbritannien finanziell unterstützten. 

Die Franzosen nahmen Roermond erstmals im Jahr 1792 ein und besetzten die Stadt dauerhaft ab 1794. Unter dem General und späteren Kaiser Napoleon Bonaparte führte die französische Armee in den folgenden Jahren Feldzüge in ganz Europa, Russland und sogar Ägypten. Nach mehreren Niederlagen in Russland und in der kriegsentscheidenden Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 zerbrach die französische Herrschaft in Mitteleuropa. Die Stadt Roermond konnte im Jahr 1814 durch die verbündeten russischen, österreichischen, preußischen und schwedischen Truppen wieder von den Franzosen befreit werden. Die Zugehörigkeit der Region Geldern blieb dennoch mehrere Jahrzehnte wechselhaft. Erst ab 1866 gehörte die Region dann dauerhaft und ausschließlich zu den Niederlanden.

Restaurierung der Munsterkerk

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand es um die Munsterkerk nicht sonderlich gut. Sie war heruntergekommen und vernachlässigt. Unter anderem durch eine großzügige Spende vom preußischen König Wilhelm II. konnte die Kirche restauriert werden. Dies geschah von 1864 bis 1891 unter der Leitung des Architekten Dr. Pierre Cuypers, der in Roermond geboren wurde und somit eine besondere Verbindung zu der Stadt hat. Cuypers ist bekannt für seine neugotische Architektur und baute unter anderem den Amsterdamer Hauptbahnhof und das bekannte Rijksmuseum. In erster Linie war er aber Kirchenarchitekt. 

Bei der Umgestaltung ersetzte Cuypers den barocken Glockenturm durch zwei quadratische Ecktürme und die beiden Türme über dem Presbyterium durch zwei kleinere. Zudem nahm auch das Innere der Kirche in Angriff für eine Generalüberholung. Beispielsweise wurden die alten Putzschichten entfernt und neue aufgetragen. Auch der Fußboden wurde wieder auf das alte, niedrigere Niveau gebracht.

1. Weltkrieg – „Holland ist in Ruhe zu lassen“

Von 1914 bis 1918 hielt der 1. Weltkrieg Europa in Atem. Die Niederlande zählten zu den wenigen europäischen Staaten, die während des Ersten Weltkriegs nicht direkt in den Konflikt verwickelt waren. 

Im Frühjahr 1918 plante die deutsche Oberste Heeresleitung allerdings, Truppen durch Roermond zu transportieren und deutsche Geschützbatterien in den Niederlanden zu stationieren. In diesem kritischen Moment konnte sich die niederländische Reichsregierung mit der Unterstützung von Kaiser Wilhelm II. – „Holland ist in Ruhe zu lassen“ – dieser Forderung erfolgreich widersetzen. 

2. Weltkrieg – Roermond leistet militärischen Widerstand

Für die Niederlande begann der Zweite Weltkrieg am 10. Mai 1940 in Roermond. Deutsche Militäreinheiten, getarnt in niederländischen Soldatenuniformen, waren bereits am Vorabend in die Niederlande eingedrungen. Gegen halb zwei Uhr nachts passierte die Gruppe einen Wachposten auf dem Weg zu den Maas-Brücken. Ein aufmerksamer niederländischer Soldat gab den ersten Schuss ab.

Roermond war eine der wenigen Städte, die einige Tage lang militärischen Widerstand leisteten. Für die Stadt Roermond sollte es ein langer Krieg werden. Die Westalliierten eroberten das Geländedreieck zwischen Roermond, Sittard und Heinsberg im Rahmen der Operation Blackcock zwischen dem 14. und dem 26. Januar 1945 zurück. Es waren einige der letzten Städte im Süden der Niederlande, die befreit wurden. Roermond war nach der Befreiung eine zerschossene Geisterstadt.

Christoffelkathedraal in Roermond mit neuem Turm in alter Form.

Der Wiederaufbau dauerte fast 15 Jahre. Vor allem die Christoffelkathedraal trug schwere Schäden davon, da deutsche Truppen am Tag vor der Befreiung Roermonds den 78 m hohenKirchturm sprengten. Der Turm wurde nach dem Krieg in alter Form wiederhergestellt.  

Von der Geisterstadt zum Designer-Outlet

1992 – Roermond wackelt

Um 3:20 Uhr erschütterte das Erdbeben von Roermond am 13. April 1992 die Niederlande und Teile Deutschlands. Verzeichnet wurde das Beben mit einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala. Das Epizentrum lag 4 km südwestlich von Roermond. Entlang der Maas und der Rur kam es zu langen Spalten im Erdboden und zu Erdrutschen. Infolge des Erdbebens wurden erneut Restaurierungsarbeiten an der Munsterkerk und der Christoffelkathedraal notwendig.  

21. Jahrhundert – Roermond wird Shoppinghochburg

Im Jahr 2002 entstand das McArthurGlen-Designer-Outlet nahe der Altstadt Roermonds. Seit der Eröffnungwuchs das Outlet stark an und ist 363 Tage im Jahr für Besucher*innen geöffnet. Da in den Niederlanden Geschäfte generell auch sonntags geöffnet haben, ist die Roermonder Innenstadt besonders für deutsche Tourist*innen ein beliebtes Ausflugsziel. 

Für diesen Text haben wir, Benita Fischer und George Timm, die wichtigsten Meilensteine der Stadtgeschichte von Roermond zusammengefasst. Dazu haben wir uns auf Informationen berufen, die wir auf unserer gemeinsamen Exkursion durch Roermond gesammelt haben und diese durch eine ausführliche Internet-Recherche ergänzt.

Quellen: